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Der Klimawandel steht gegenwärtig als eine der dringendsten Herausforderungen unserer Zeit im Fokus. Es gilt, Wege im Klimaschutz zu finden, um die Emissionen von Treibhausgasen mit größtmöglicher Geschwindigkeit zu reduzieren – ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität. Parallel dazu zielt die Klimawandelanpassung darauf ab, den bereits heute sichtbaren Auswirkungen des Klimawandels entgegenzuwirken.
Bei beiden umfassenden Zielsetzungen spielen Normen und Leitlinien eine zentrale Rolle, um eine koordinierte und effektive Vorgehensweise zu ermöglichen.
Den Klimawandel zu stoppen ist eine der vordringlichsten Aufgaben unserer Zeit. Deutschland hat sich mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2045 ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Der Umbau hin zu einem klimaneutralen Industrieland erfordert eine tiefgreifende grüne Transformation in allen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft. Bei der Erreichung der Klimaziele unterstützen Technische Regeln, wie Normen, Standards und VDI-Richtlinien auch bei der Klimaanpassung an die jetzt schon zu beobachtenden dramatischen Auswirkungen des Klimawandels.
Erfahren Sie mehr darüber, wie Deutschland sich den Herausforderungen des Klimawandels stellt und welche Rolle der VDI dabei spielt. Wir haben uns dazu mit Diplom-Geografin Catharina Fröhling (VDI) unterhalten.
Auswirkungen des Klimawandels betreffen bereits jetzt viele Lebens-, Umwelt- und Wirtschaftsbereiche unmittelbar. Extremwetterereignisse haben in den letzten Jahren Schäden in Milliardenhöhe verursacht, unterstreicht Catharina Fröhling: „Klimaschutz und Klimaanpassung sind daher zwei Seiten einer Medaille, beides ist wichtig und unerlässlich“, sagt Catharina Fröhling: „So ist die internationale sowie nationale Klimapolitik auf zwei wichtige Säulen aufzubauen – dem Klimaschutz als auch der Klimaanpassung. Wobei Klimaschutz weiterhin oberste Priorität haben muss. Denn ohne einen funktionierenden Klimaschutz wird in der Zukunft ein Punkt erreicht werden, an dem eine Anpassung an die Folgen des Klimawandels weder ökologisch noch ökonomisch umsetzbar ist. Wir müssen Klimaschutz und Klimaanpassung also Hand in Hand denken.“
Neben der Erreichung der Klimaziele unterstützen Technische Regeln auch bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels. „Um den genannten, bereits zu beobachtenden klimatischen Veränderungen begegnen zu können, sind Technische Regeln besonders wichtig. Sie helfen, Effekte zu benennen, Konsequenzen greifbar zu machen und die Klimaanpassung praktisch umzusetzen. Technische Regeln liefern konkrete Handlungsempfehlungen und ermöglichen eine praktische Orientierung beim Einsatz von Technologien“, sagt Catharina Fröhling.
„Als VDI sorgen wir dafür, dass erarbeitete VDI-Richtlinien eine bestmögliche Anwendung in der Praxis finden: als konkrete Lösungen für individuelle Probleme am Standort Deutschland. Darüber hinaus arbeiten wir gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Normung (DIN) und der Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (DKE) auch auf europäischer und internationaler Ebene zusammen.“
Als ein Beispiel für praktische Umsetzungen nennt sie die Richtlinien VDI 3810 Blatt 1 und VDI 6023 Blatt 1 im Bereich der Trinkwasserqualität: „Hierzulande wird Trinkwasser durch Leitungen im Erdreich befördert, bevor es die Entnahmestelle erreicht. Während der Sommermonate ist das Erdreich kühl, im Winter hingegen so warm, dass Leitungen nicht gefrieren. Durch den Klimawandel kommt es jedoch zunehmend zu ausgedehnten Hitzewellen. Die Wärme dringt mit jedem Tag einer Hitzeepisode tiefer in den Boden ein und das Trinkwasser kommt entsprechend wärmer am Hausanschluss an. Trinkwasser ist nicht steril, sondern kann und darf geringe Konzentrationen von Keimen enthalten. Die Wärme kann das Wachstum gesundheitsgefährdender Keime, z. B. Legionellen, beschleunigen. Die Richtlinie beschreibt das bestimmungsgemäße Betreiben und Instandhalten von Trinkwasser-Installationen nach Trinkwasserverordnung.“
„Bezogen auf die Klimaanpassung liegen schon eine Vielzahl von bestehenden Technischen Regeln vor“, sagt Catharina Fröhling: „Beispielsweise die VDI 3787 Blatt 8 „Stadtentwicklung im Klimawandel“. Aufgegriffen werden Themen wie Klima und Lufthygiene in der nachhaltigen Regional- und Stadtplanung, auch vor dem Hintergrund der Anpassung an den Klimawandel, der Abbau städtischer Wärmeinseln und die Verbesserung der städtischen Belüftung. In diesem Jahr haben wir auch eine Normungsinitiative zum Thema „Hitzeaktionsplänen“ für Städte und Kommunen gestartet.“
Weiterhin gibt es bereits die DIN EN ISO 14091 „Anpassung an den Klimawandel – Vulnerabilität, Auswirkungen und Risikobewertung“ und die DIN EN ISO 14090 „Anpassung an die Folgen des Klimawandels – Grundsätze, Anforderungen und Leitlinien“. Diese wendet sich mit ihren Handlungsempfehlungen an Städte, Gemeinden und Unternehmen.
„Technische Regeln stellen Handlungsempfehlungen dar, also richtungsweisende und praxisorientierte technische Regelwerke. Sie sind, in der Regel, in ihrer Anwendung nicht verpflichtend, setzen jedoch einen wertvollen Qualitätsstandard, da sie den aktuellen Stand der Technik abbilden. Daher ist es die Anwendung von Technischen Regeln immer empfehlenswert. Gegebenenfalls dienen diese auch als Bewertungsgrundlage bei rechtlichen Fragestellungen. Dies gilt allgemein und bezieht entsprechend auch Regelwerke zur Klimaanpassung ein“.
„Da der Klimawandel die gesamte Gesellschaft betrifft, können und müssen wir uns alle damit auseinandersetzen. Das gilt auch für die Klimaanpassung. Wir vom VDI setzen auf einen faktenbasierten Dialog zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft“, unterstreicht Catharina Fröhling. Als ein Beispiel nennt sie das Handwerk: „Das Dachdeckerhandwerk muss sich einerseits mit neuen Handlungsfeldern auseinandersetzen: Wie zum Beispiel werden Gründächer fachgerecht gebaut, Fassaden wirkungsvoll und nachhaltig begrünt?“
Gleichzeitig müsse aber auch der Arbeitsschutz den Herausforderungen des Klimawandel begegnen, indem Berufsgruppen, die im Freien arbeiten, beispielsweise gezielt vor sommerlichen Hitzeeinwirkungen oder erhöhter UV-Strahlung geschützt werden.
„Ganz klar: wir alle!“, sagt Catharina Fröhling: „Nur durch erfolgreiche Klimaanpassung, können wir unser aller Lebensgrundlagen schützen und unsere Lebensqualität langfristig sichern.“
Catharina Fröhling ist Diplom-Geografin und Projektkoordinatorin des VDI-Topthemas "Herausforderung – Anpassung an den Klimawandel" beim Verein Deutscher Ingenieure e. V. (VDI). |
Der Klimaschutz umfasst Maßnahmen, um den steigenden weltweiten Durchschnittstemperaturen Einhalt zu gebieten. Normen regulieren diese Maßnahmen des Klimaschutzes und können dabei helfen, die Erfolge messbar zu machen. In unserem Interview sprachen wir mit Dr. Tim Brückmann (DKE) über den Unterschied zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung und die dazu gehörigen Handlungsfelder.
Klimaschutz bedeutet, wie der Name schon suggeriert, unser heutiges Klima zu schützen und zu bewahren, indem ein zukünftiger Temperaturanstieg gestoppt wird.
Das Pariser Abkommen von 2015 schreibt das Ziel des maximalen Anstiegs der weltweiten Durchschnittstemperatur von Beginn des industriellen Zeitalters auf deutlich unter 2 °C fest. Angestrebt werden weniger als 1,5 °C. Damit soll die heutige Flora und Fauna erhalten bleiben – die auch für unsere moderne Zivilisation elementar wichtig sind.
Unter dem Dach des Begriffs „Klimaschutz“ vereinigen sich alle Maßnahmen, die dazu führen, dieses Ziel zu erreichen – also Maßnahmen, die den CO2-Ausstoß massiv verringern und zur Klimaneutralität beitragen.
Bei der „Klimaanpassung“ hingegen geht es darum, dass Produkte, Dienstleistungen und Organisationen im vorgesehenen klimatischen Rahmen – also bei weiterhin steigenden Temperaturen oder extremen Wetterereignissen – sicher funktionieren.
Da gibt es vielfältige Anwendungen. Das bekannteste Beispiel ist der „CO2-Fußabdruck“, der in der ISO 14067 (siehe auch DIN EN ISO 14067:2019-02) beschrieben wird. Er soll Treibhausgasemissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette eines Produkts darstellbar machen. Normen und Leitlinien helfen, Umweltparameter zu quantifizieren, also messbar zu machen – damit eine Vergleichbarkeit hergestellt wird. So können im Sinne des Klimaschutzes optimale Produkte entwickelt werden.
Auch die Behandlung, Sammlung und Logistik von Abfällen spielt eine große Rolle im Umwelt- und Klimaschutz. Hier ist die DIN EN Normenreihe 50625 zur Sammlung, Logistik und Behandlung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten ein gutes Beispiel, wie Normung zum Klimaschutz beiträgt.
Erst einmal kann jeder dazu beitragen, Rohstoffe zu sparen: eben durch Verzicht und Einsparung. Damit sind zunächst die folgenden Handlungsfelder wichtig: Neue Produkte im Rahmen von Ökodesign so zu gestalten, dass deren Produktion und Gebrauch möglichst wenig neue Rohstoffe und Energie verbraucht.
Abfallelektronik sollte unbedingt einer Verwertung zugeführt werden. Wichtig ist alles, das dahinführt, eine möglichst international funktionierende Circular Economy zu etablieren. Eine Kreislaufwirtschaft also, die mit Rohstoffen maximal schonend umgeht.
Hier sind wir in der nationalen Normung schon einen Schritt vorangegangen: mit der Veröffentlichung der
Normungsroadmap Circlar Economy, die Handlungsbedarfe identifiziert und Normungsvorschläge unterbreitet hat.
Ein weiteres wichtiges Feld ist die Energieeffizienz. Für Verbraucher*innen ist es seit Jahrzehnten Gewohnheit, beim Kauf elektrischer Geräte, auf das Effizienzlabel zu achten. Erst kürzlich wurden die Effizienzklassen wieder angepasst, um dem technischen Fortschritt Rechnung zu tragen.
Im Bereich der Energie-Transformation tut sich auch einiges – zum Beispiel mit der Normungsroadmap Wasserstofftechnologien, die normative Grundlagen schaffen und noch bestehende Lücken zur Etablierung einer Wasserstoffinfrastruktur schließen will
Für die Privathaushalte möchte ich gerne Peter Lustig zitieren, der immer am Ende einer „Löwenzahn“-Folge sagte: „Abschalten!“ Mit dem Energiesparen – sei es beim Heizen oder beim Stromverbrauch – können wir den Energieverbrauch und Treibhausgasausstöße sofort reduzieren.
Für große Organisationen ist das schwieriger, da Prozesse sich nicht einfach kurzfristig herunterfahren lassen. Für diese Fälle gibt es einschlägige Normen, wie aus der DIN EN ISO 14000- und 50001-Reihe zum Umweltmanagement und zur Energieeffizienz, die dabei helfen, Einsparpotentiale zu identifizieren und zu erschließen.
Das ist eine interessante Frage! Letztlich wird man erst rückblickend sagen können, wie erfolgreich der Klimaschutz, den wir betrieben haben, aktuell betreiben und noch betreiben werden, nun wirklich gewesen ist. Dann wird sich auch der Einfluss von Normung zeigen.
Letztlich bleibt es aber dabei, dass internationale Vorhaben standardisiert ablaufen müssen. Hierzu bedarf es dringend der Normung: weil Maßnahmen, die nicht auf Normen basieren oder zumindest von Normen begleitet werden, sehr selten und meist nur in einem regionalen Rahmen stattfinden. Klimaschutzmaßnahmen aber leben davon, dass sie auf der ganzen Welt Anwendung finden.
Deshalb brauchen wir Normen, die Vergleichbarkeit und Sicherheit gewährleisten!
Dr. Tim Brückmann ist Koordinator für Umwelt und Nachhaltigkeit in der DKE (Deutsche Kommission Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik in DIN und VDE). Ebenfalls ist er Mitglied der Koordinierungsstelle Umweltschutz von DIN und des CEN/CENELEC Beratungsgremiums SABE (Strategic Advisory Body on Environment). Darüber hinaus war er Mitglied der Arbeitskreise mit elektrotechnischem Schwerpunkt innerhalb der Arbeiten zur Normungsroadmap Circular Economy. |
Norm [AKTUELL] 2019-06
DIN EN ISO 14064-1:2019-06ab 197,50 EUR inkl. MwSt.
ab 184,58 EUR exkl. MwSt.
Norm [AKTUELL] 2021-02
DIN EN ISO 14040:2021-02ab 106,30 EUR inkl. MwSt.
ab 99,35 EUR exkl. MwSt.
Norm [AKTUELL] 2020-02
DIN EN ISO 14090:2020-02ab 117,70 EUR inkl. MwSt.
ab 110,00 EUR exkl. MwSt.
Norm [AKTUELL] 2021-07
DIN EN ISO 14091:2021-07ab 135,10 EUR inkl. MwSt.
ab 126,26 EUR exkl. MwSt.
Norm [AKTUELL] 2019-02
DIN EN ISO 14067:2019-02ab 197,50 EUR inkl. MwSt.
ab 184,58 EUR exkl. MwSt.
Norm [AKTUELL] 2019-06
DIN EN ISO 14064-1:2019-06ab 197,50 EUR inkl. MwSt.
ab 184,58 EUR exkl. MwSt.
Technische Regel [AKTUELL] 2019-06
DIN 4108 Beiblatt 2:2019-06ab 367,20 EUR inkl. MwSt.
ab 343,18 EUR exkl. MwSt.