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Weg von der Wegwerfgesellschaft: das ist das Ziel der Circular Economy. Aber was macht eine echte Kreislaufwirtschaft aus? Welche Rolle spielen Normen dabei? Und vor welche Herausforderungen stellt das die deutsche Wirtschaft? Wir sprachen mit Tilmann Vahle, Leiter Nachhaltige Mobilität und Batterien bei Systemiq Deutschland in München.
Die Circular Economy beschreibt ein Wirtschaftsprinzip, welches das wirtschaftliche System, seine Fertigungsprozesse sowie das Konsumverhalten der Menschen weniger linear ausrichtet. Statt Materialien und Produkte wegzuwerfen werden sie in einer Kreislaufwirtschaft länger und intensiver genutzt. Das Kennzeichen einer Circular Economy ist ihr ganzheitlicher Ansatz. Design, Nutzungsanforderung, Produkt sowie Recycling am Ende der Lebensdauer folgen einem klaren Kerngedanken: Die Effekte menschlichen Handelns und Konsumierens auf die Umwelt sind zu minimieren.
Recyling bleibt wichtig, bildet aber nur einen Teil des möglichen Nachhaltigkeitseffekts und Werterhalts ab. Zur Circular Economy gehört es, Produkte zu reparieren oder aufzuwerten, sie zu teilen oder zeitweise für die persönliche Nutzung zu mieten. Die Sharing Economy macht das heute schon vor. Am Ende steht vielleicht nicht mehr das Produkt, sondern eine Dienstleistung. Zentral dafür sind unter anderem digitale Plattformen, die es erlauben, nicht mehr benötigte Gegenstände weiterzugeben oder zu verkaufen und damit zu einer verlängerten Lebensdauer des Produkts beitragen.
Aus politischen sowie betriebswirtschaftlichen Gründen. Die Europäische Kommission hat zuletzt den Circular Economy Action Plan auf den Weg gebracht. Er fordert eine umfassende Strategie, um die europäische Gesetzgebung an eine zirkuläre Wirtschaft anzupassen. Lassen sich Produkte reparieren und wenn ja – wie einfach? Beinhalten Verpackungen einen Anteil recycelter Materialien und wie hoch ist dieser? Solche Fragen werden auch auf gesetzgeberischer Seite wichtiger. Märkte und Unternehmen müssen sich darauf vorbereiten.
Die Circular Economy schärft das Verständnis für Wertschöpfungsketten. Das hat eine Diversifizierung der Materialien und deren Bezugsquellen zur Folge. Wer unterschiedliche Sekundär- und Primärmaterialien nutzt, bleibt unabhängiger von einzelnen Lieferanten. In Krisenzeiten ist das ein großer Vorteil. Auch das Geschäftsmodell lässt sich diversifizieren: Statt lediglich Produkte zu verkaufen erlaubt es die Circular Economy Unternehmen, Dienstleistungen anzubieten oder ins Reparatur-Geschäft einzusteigen. Damit einher gehen Umsatzsteigerungen.
Sie bilden die Grundlage für die Kommunikation zwischen den Akteuren des Wirtschaftslebens. Gleichzeitig markieren sie die Rahmenbedingungen: Normen und Standards definieren, wie Unternehmen zu handeln haben und wie Produkte zu designen sind. Der Circular Economy Action Plan der europäischen Kommission umfasst unter anderem, Normen und Standards für eine Circular Economy anzupassen. In mehreren europäischen Gesetzesprozessen werden Standards und Normen zentrale Mechanismen sein, um die Ziele der Gesetze zu erreichen. Diese Beispiele zeigen den hohen Stellenwert von Standardisierung und Normierung. Deshalb ist es auch so wichtig zu prüfen, welche bestehenden Normen und Standards für die Kreislaufwirtschaft relevant sind und welche angepasst werden müssen. DIN hat hierzu die Normungsroadmap Circular Economy angestoßen.
Die Circular Economy Strategie für Deutschland befindet sich in der Entwicklung. Anfang des Jahres 2023 soll ein erster Entwurf stehen. Um den Prozess zu unterstützen haben acatech und Systemiq im Rahmen der Circular Economy Initiative Deutschland mit Industrie und Wissenschaft eine Roadmap entworfen.
Für die Politik sind insbesondere Standardisierungen, die Mindestanforderungen für die Kreislaufwirtschaft definieren, entscheidend. Außerdem: finanzielle Anreize und die Beauftragung einer zentralen Organisation der öffentlichen Hand, die langfristig und unabhängig vom politischen Tagesgeschäft die Transformation zur Circular Economy begleitet.
Die Umstellung auf ein neues Produktdesign ist immer eine Herausforderung. Eine neue Bauart, ein neuer Materialmix, ein anderes Geschäftsmodell, das ungewohnte Anforderungen an die Belegschaft stellt – das alles erfordert mitunter den Umbau der Organisation und geht einher mit einem hohen Ressourcen- und Zeitaufwand. Ein Wandel dieser Größenordnung ist immer mit Widerständen verbunden. Gleichzeitig braucht es Anpassungen in den politischen Rahmenbedingungen: Um Unternehmen das zirkuläre Handeln zu erleichtern, müssten rechtliche und finanzielle Anreizsystem angepasst werden, beispielsweise durch verpflichtende Mindestlebensdauern von Produkten oder Anpassung von Steuergesetzgebungen.
Schon heute sieht man zum Beispiel im B2B-Geschäft, dass große Maschinen seltener eingekauft werden. Wichtiger wird stattdessen der Zweck der Maschine, der sich über ein Service-Modell abbilden lässt. Auch im Endkundengeschäft entpuppen sich zirkuläre Geschäftsmodelle als Wettbewerbsvorteil. Insbesondere in der Vermarktung sind Vorteile und die Chancen auf höhere Margen zu erwarten.
Auch der Mittelstand benötigt Ressourcen, wenn er auf die Circular Economy umsatteln möchte. Entscheidend sind Transparenz und die Verfügbarkeit von Daten, die im Mittelstand oft sehr spezifischer Natur sind. Zu einer breiteren Datenbasis zu gelangen, kann im Vergleich zu einem Konzern für einen kleineren Betrieb einen überproportionalen Aufwand bedeuten, daher sind angepasste und angemessene Ansätze gerade für den Mittelstand wichtig. Wissen lässt sich zukaufen, parallel sollten Mitarbeiter für die Thematik sensibilisiert und trainiert werden.
Das ist in den einzelnen Sektoren sehr unterschiedlich. Der GreenTech Atlas der Bundesregierung zeigt, dass sehr viele Unternehmen, die in der Umwelttechnologie tätig sind, aus Deutschland kommen. Gleichwohl gibt es beim innovativen Verständnis für zirkuläre Geschäftsmodelle noch Luft nach oben. Wie weit Unternehmen gehen, hängt oftmals nicht von ihrem Know-how, sondern von der Profitabilität ab.
Tilmann Vahle leitet die Arbeit von SYSTEMIQ in München zu nachhaltigen Batterien und verantwortungsvollen Lieferketten. In dieser Funktion entwickelte er das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderte Battery Pass Konsortium. Er war Mitbegründer der Circular Cars Initiative des Weltwirtschaftsforums, leitete die Gruppe der Circular Economy Initiative Deutschland zu Batterien und ist ein anerkannter Experte für den Übergang zur zirkulären Mobilität. |
Christian Schiller, Co-Founder und CEO von cirplus, spricht im Video über die Entwicklung der DIN SPEC 91446.
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