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Ein integriertes Managementsystem (IMS) versetzt Führungskräfte und Mitarbeiter in die Lage, die Anforderungen einzelner Managementsysteme ganzheitlich in den Blick zu nehmen. Die unterschiedlichen Perspektiven der Anwender werden dadurch aufgelöst und vereinheitlicht. Die Harmonized Structure (HS) der ISO-Normen erleichtert diesen Ansatz und hilft bei der Analyse und Umsetzung eines umfassenden IMS.
Unternehmensprozesse lassen sich einfacher und transparenter steuern, wenn ein umfassendes System die verschiedenen Anforderungen zusammenfasst. Ein Integriertes Managementsystem (IMS) leistet diese Aufgabe. Doch lohnt es sich in jedem Fall, ein IMS einzuführen? Wie viel Aufwand ist damit verbunden? Und wie lassen sich die Mitarbeitenden am besten einbinden?
Dr. Frank Herdmann und Dipl.-Ing. Mathias Wernicke blicken auf langjährige Erfahrungen mit Integrierten Managementsystemen zurück. Die beiden Experten geben Antworten auf die häufigsten Fragen.
Dr. Frank Herdmann:
Als IMS bezeichnen wir die Integration von Steuerungssystemen zu einzelnen Managementgebieten, die für die Lenkung von Unternehmen oder sonstigen Organisationen wichtig sind.
Dipl.-Ing. Mathias Wernicke:
Um es zu konkretisieren: Ein IMS versetzt die Verantwortlichen (Führungskräfte und ihre Mitarbeitenden) in die Lage, die Organisation ganzheitlich zu betrachten. Die Anforderungen der einzelnen Managementsysteme stehen nicht mehr im Fokus, sondern werden so dargestellt, dass die unterschiedlichen Perspektiven aufgelöst werden. Das heißt: Die Menschen sehen ein Managementsystem – und nicht mehr die unterschiedlichen Teilsysteme.
Herdmann:
Zunächst einmal ist die Harmonized Structure (die bis 2021 High Level Structure hieß) nur ein abstrakter Begriff. Sie ist für die Struktur der Managementsystemnormen der Internationalen Standardorganisation (ISO) relevant, nicht aber für die Managementsysteme selbst. Sie sorgt für eine einheitliche Terminologie und Gliederung. Damit wird die gemeinsame Anwendung dieser Normen erleichtert. Der Endnutzer muss sich aber in der Regel nicht mit der HS befassen; wichtig ist sie vor allem für die Entwickler der Normen in den Ausschüssen der ISO. Zusammengefasst: Die HS hat keine direkte Relevanz für ein IMS, denn Integration ist auch ohne HS möglich.
Wernicke:
Die HS bezieht sich nur auf die Normen der ISO, sie gilt nicht für andere Normen. Wenn Sie Anforderungen aus anderen Regelwerken einbauen möchten, benötigen Sie die HS nicht. Zum Beispiel sind die Anforderungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) nicht an die HS angelehnt, ebenso verhält es sich mit Gesetzen. Wenn Sie diese Anforderungen integrieren möchten, können Sie das selbstverständlich auch tun – dafür brauchen Sie letztlich keine Struktur, sondern nur eine Methodik.
Interessant ist bei der HS, dass es einfacher wird, die identischen oder ähnlichen Anforderungen unterschiedlicher ISO-Managementsystemnormen zu analysieren. Das kann man sich ja vorstellen: Sie haben gleichlautende Strukturen und können deshalb leichter deren unterschiedliche Anforderungen erkennen – und dann entscheiden, ob Sie noch etwas tun müssen oder nicht. Allerdings sollten Sie die HS nicht als Struktur für Ihr eigenes Managementsystem nutzen. Denn sonst müssten Sie bei jeder Änderung der HS auch Ihre komplette Dokumentation anpassen.
Es gibt nach solchen Änderungen der HS immer wieder Bestrebungen, den Menschen zu empfehlen, ihre Managementsysteme zu überarbeiten. Wir halten diesen Ansatz für völlig falsch. Mit einer Änderung der HS ergibt sich einfach eine Erleichterung der Analytik. Was Sie als Endnutzer haben, ist Ihr Managementsystem – und wenn Sie sich einmal auf den Weg gemacht haben, die Anforderungen analytisch anzuschauen, passt das auch.
Herdmann:
De facto haben alle Unternehmen, alle Organisationen ein Managementsystem. Die Frage ist: Wie formal und wie integriert ist es? Das Ziel der Managementsystemnormen und ihrer einheitlichen Struktur ist letztendlich, die Steuerung des Unternehmens zu verbessern, die Resilienz (Widerstandsfähigkeit) des Unternehmens zu verbessern, einen größeren Erfolg zu garantieren, Synergien zu wecken und das Silodenken zu vermeiden – also die immer präsente Gefahr, dass jemand nur seine eigene Abteilung im Blick hat.
Wernicke:
Es gibt dazu im ISO-Handbuch „Die integrierte Anwendung von Managementsystemnormen“ eine sehr ausführliche tabellarische Darstellung, die 10 Punkte umfasst (auf den Seiten 44 und 45). Es würde an dieser Stelle zu weit führen, diese Punkte jetzt im Einzelnen zu erläutern, aber sie zeigen genau den Nutzen auf: die Beseitigung von Redundanzen, die Verringerung von Bürokratie, Kostensenkungen, Optimierung von Prozessen, Pflegeaufwand verringern, Konsolidierung von Audits. All diese Dinge kann man analytisch beweisen. Zu den einzelnen Themen gibt es dort jeweils Beschreibungen, die zeigen: Was passiert, wenn man es nicht umsetzen würde? Die Antwort: Man hat letztlich mehr Aufwand, weil unterschiedliche Funktionen und Strukturen im Unternehmen sich auf gleichartige Dinge beziehen und die Mitarbeitenden sich wahrscheinlich dabei nicht miteinander abstimmen.
Herdmann:
Meine Antwort dazu lautet: Sobald mehr als ein Team eine gleichgerichtete Aktivität entfaltet und die Verantwortlichen darüber nachdenken, ein Organisationshandbuch (OHB) anzulegen.
Wernicke:
Ein ausgestaltetes OHB halte ich nicht für zwingend erforderlich. Ich würde eher sagen: Das Managementsystem sollte in einer Form beschrieben sein, die mehr den praktischen Ansatz darstellt und weniger die normativen Anforderungen. Aber davon abgesehen gilt in jedem Fall: Ein IMS ist das gelebte Managementsystem – allerdings noch ohne Struktur und ohne dass ähnlich gerichtete Anforderungen bereits integriert wären. Gerade die kleinen Unternehmen haben einen erheblichen Mehraufwand, wenn sie das aus unterschiedlichen Brillen betrachten, statt es ganzheitlich in den Blick zu nehmen. Deshalb plädiere ich auch bei kleinsten Unternehmen für folgende Grundstruktur:
Danach müssen Sie die Umsetzung und Optimierung der Prozesse an den Unternehmenszielen ausrichten. Die Normen spielen dann nur noch bei externen Überprüfungen und Nachweisführungen eine Rolle.
Herdmann:
Dem kann ich voll zustimmen. Ein OHB ist ja nichts anderes als eine schriftliche Sammlung der Prozesse, von denen Sie gerade gesprochen haben.
Herdmann:
Aus der Marktforschung wissen wir, in welchen Branchen integrierte Managementsysteme am weitesten verbreitet sind oder wo die Verantwortlichen am ehesten darüber nachdenken. Wenn man sich die Studien anschaut, kann man zu dem Ergebnis kommen, das sei hauptsächlich der Maschinenbau, dann kommen andere Hersteller, und zum Schluss erst die Dienstleister. Das spiegelt aber nur eine aktuelle Verteilung wider: Menschen in technischen Berufen sind daran gewöhnt, in Prozessen zu denken, und sie beschäftigen sich dadurch auch mit der Frage, wie man Prozesse integriert. Ein IMS einzuführen, ist deshalb ein naheliegender Schritt. Die Frage, für wen es sich lohnt oder nicht lohnt, ist damit aber noch nicht beantwortet.
Wernicke:
Für mich liegt die Antwort auf der Hand: Je kleiner das Unternehmen und je höher die Anforderungen sind – weil Sie sich zum Beispiel auf unterschiedlichen Märkten bewegen –, ist mein Credo: Ein IMS ist für jede Branche geeignet. Es gibt heute vielleicht Strömungen, dass es in manchen Bereichen bereits stärker ausgeprägt ist als in anderen. Aber alle, die mit vielen Anforderungen oder gesetzlichen Auflagen zu tun haben (und gerade Dienstleister zählen dazu), sollten sich das Thema Integration intensiver anschauen. Denn es sollte letztendlich nur ein Managementsystem geben, und da muss alles drin sein. Je weniger Aufwand Sie im Hinblick auf die darin enthaltenen Teilsysteme betreiben, umso besser für das Unternehmen.
Das bedeutet: Jede Funktion hat im Hintergrund ihr integriertes System, lebt die Prozesse – und das war es dann auch schon. Es gibt also keine Notwendigkeit, die Bedeutung eines IMS für bestimmte Bereiche als besonders lohnenswert hervorzuheben. Es lohnt sich aus meiner Sicht von Anfang an, für jede Branche, für jede Unternehmensgröße.
Herdmann:
Was die Vorteile eines IMS betrifft, können wir den Blick praktisch auf jede Branche werfen, angefangen bei Elektrotechnik und Elektronik über Chemie bis zum Automobilbau. Auch im Medizinwesen spielt die Integration eine wichtige Rolle. Der Handel denkt daran im Moment noch etwas weniger, aber auch da ist sie sinnvoll. Ich würde sogar dem öffentlichen Dienst eine gewisse Rolle einräumen, denn der ist häufig genug optimierbar. Aber alle Branchen sind betroffen.
Wernicke:
Richtig. Überall gilt: Wer auf ein IMS verzichtet, hat systemisch gesehen mehr Aufwand.
Herdmann:
Es kommt darauf an, wo die Organisation entwicklungstechnisch steht – wann sie ein IMS einführen möchte, wie viele Managementsysteme integriert werden sollen. Da muss man aufpassen, dass die Organisation sich nicht überhebt. Und wenn sie noch keine Prozesse modelliert hat, ist das natürlich aufwendiger, als wenn sie vorhandene Prozesse nur optimieren und ergänzen muss.
Wernicke:
Wenn Sie sich heute mit einem Produkt am Markt bewegen wollen, brauchen Sie immer eine Marktanalyse – und darin sollten Sie immer auch feststellen, welche Anforderungen es gibt: gesetzliche, normative, regulatorische. Und dann haben Sie einen Berg von Anforderungen. Eine solche Anforderungsanalyse ist immer zu machen. Wer das nicht tut, geht ins Risiko.
Das heißt: Jeder hat eigentlich den Aufwand, diese analytischen Fragen zu beantworten. Die Frage ist nur: Wie systematisch wird das gemacht? Wird aus der Erfahrung geschöpft, nach dem Motto „Das haben wir schon immer so gemacht – es wird schon nichts passieren, wenn wir keine Risikoanalyse machen“? Das ist eine verbreitete Haltung. Viele sagen auch: „Ich habe ja schon ein Qualitätsmanagement, da ist ja alles drin. Warum muss ich mich dann noch mit Themen wie Umwelt oder Resilienz beschäftigen?“
Aber da diese Bewertung ohnehin immer vorzunehmen ist – und auch die ganzheitliche Darstellung der Prozesse, die Erfüllung aller im Prozess integrierten Anforderungen gegeben sein sollte –, ist der Aufwand letztlich überschaubar. Viele Fachleute streiten sich, wie tief man bei der Prozessmodellierung gehen muss – wirklich immer bis auf die Maschinen-Ebene? Wenn man das auf Prozess- und Teilprozessebene vernünftig macht, dann ist der Aufwand wirklich gering. Hier kommt es darauf an, was mein Kollege gerade schon gesagt hat: Wie weit ist das Unternehmen damit bereits? Wie stark sind die Verantwortlichen damit beschäftigt? Und wie ganzheitlich gehen sie dieses Thema an?
Wenn es Grundlagen gibt, auf die man aufbauen kann, hält sich der Aufwand für die Analyse in Grenzen. Dann muss ich mir nur meine Normen anschauen: Was davon habe ich schon umgesetzt, was muss ich noch einbauen? Anschließend kann ich sagen: In meinen Prozessen ist alles drin. Dann brauche ich nichts weiter zu tun. Die Integration ist vollständig, wenn die Ergebnisse von drei Anforderungsanalysen berücksichtigt werden: aus dem gesetzlichen Bereich, dem regulatorischen Bereich (Stichwort: Behörden) und dem Bereich der Normen. Die Anforderungen der Kunden müssen auftragsbezogen beachtet werden.
Wernicke:
Weil es dabei auf die Anforderungen von Kunden, Behörden, Markt oder Branche ankommt, lässt sich pauschal keine Mindestanzahl von Managementsystemen nennen. Es gibt aber einige, deren Sinn unmittelbar jedem Unternehmen einleuchtet.
Herdmann:
Ich schlage vor, zunächst die sektorspezifischen Normen in den Blick zu nehmen, die für die jeweilige Branche wichtig sind. Bin ich im Bereich Food and Beverage tätig, ist das die ISO 22000 (Food Safety). Wer im Gesundheitswesen verantwortlich ist, nimmt vielleicht die ISO 45001 (Occupational Health and Safety). Die erste Frage ist also: Was ist für die spezifische Managementsystemnorm für meine Branche?
Daneben gibt es die allgemein unternehmensrelevanten Normen. Es gibt Managementsystemnormen, über deren Anwendung Verantwortliche in jedem Fall nachdenken sollten – auch wenn sie nicht unbedingt alle gleichzeitig übernehmen sollten:
Unter diesen Managementsystemnormen sollten die Verantwortlichen zunächst diejenigen auswählen, die für das Unternehmen am wichtigsten sind. Bei alledem ist dann auch noch eine DIN-Norm zu berücksichtigen, die keine Managementsystemnorm ist, sondern eine begleitende Empfehlungsnorm: die DIN ISO 31000 – Risikomanagement – Leitlinien. Denn der Ansatz aller Managementsystemnormen beruht auf dem Umgang mit Risiken, im internationalen Gebrauch auch als „risk-based approach“ oder „risk-based thinking“ bekannt. Diese Norm die Klammer, mit der die anderen Normen zusammengehalten werden.
Herdmann:
Ich fange mal mit den Klassikern an. Da wird zum Beispiel gesagt: „Damit sind doch nur Kosten verbunden, aber keine Erträge.“ Damit verbunden ist die Befürchtung, für die Integration von Managementsystemen müsse man eine neue Stelle ausschreiben oder brauche sogar ein ganzes Team – und dass diese Mitarbeitenden dann das Tagesgeschäft behindern.
Wird die Belegschaft nicht richtig eingebunden, kommt dazu das „Not invented here“-Syndrom, also Skepsis und Ablehnung gegenüber externen Innovationen. Gemeinsam ist diesen Widerständen die Annahme, ein IMS führe nur zu zusätzlichen Belastungen.
Wernicke:
Ich bin in einem Luft- und Raumfahrt-Unternehmen groß geworden, das sich ständig mit Managementsystem-Anforderungen unterschiedlicher Märkte und Kunden beschäftigt hat. Für eine gelungene Umsetzung sind drei Themen entscheidend – und alle sind relativ weiche Faktoren:
Diese Punkte kontinuierlich darzustellen, ist die wesentliche Aufgabe.
Wenn ich dann noch konkrete Argumente benötige, finde ich sie zum Beispiel im ISO-Handbuch zu IMS. In Tabelle 3.3 („Herausforderungen bei der Integration“, S. 72) gibt es den Punkt: „Widerstand gegen Änderungen“, verbunden mit empfohlenen Maßnahmen und Beispielen für die Umsetzung: Einsatz übergreifender Teams, ständige Kommunikation, Unterstützung durch das Management. Meine Erfahrungen aus der Praxis spiegeln sich in dieser Zusammenfassung der internationalen Analyse. Ich muss also an der Stelle nichts Neues erfinden, sondern kann auf den Erkenntnissen aufbauen, die in die Normen eingeflossen sind.
Das gilt zum Beispiel auch für einen weiteren Punkt aus der Tabelle: „Unterschiedliche Unternehmenskulturen“. Es geht darum, solche Unterschiede zu berücksichtigen, leben zu lassen, aber trotzdem die Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. All das muss ich in der Kommunikation, in der Erarbeitung erfassen können. Es geht darum, nicht immer die normativen und gesetzlichen Anforderungen als großen Anspruch darzustellen, sondern den Unternehmenserfolg in den Mittelpunkt zu stellen:
Damit sind die Grundvoraussetzungen zur Akzeptanz in der Belegschaft geschaffen. Ob die einzelnen Mitarbeitenden diesen Ich-Bezug zu ihrer Arbeit immer herstellen, ist auch ein bisschen Glückssache. Natürlich fragt sich jede und jeder von ihnen: Habe ich davon einen Nutzen oder mehr Arbeit? Deshalb ist der oberste Grundsatz, den wir herausstellen müssen: Welcher Nutzen ist damit verbunden?
Herdmann:
Eine häufige Gemeinsamkeit der Widerstände ist das Silodenken. Mitarbeitende neigen leider häufig dazu, nur in ihren eigenen Bereichen zu denken – in ihrem Team, ihrer Abteilung, ihrem Referat – und dabei nicht den Gesamtzusammenhang zu sehen, nicht über den Tellerrand hinauszuschauen.
Wernicke:
Ein Beispiel dazu: Wenn der Vertrieb Zielvereinbarungen erhält, stellt sich die Frage: Wie gut harmonisieren diese Vereinbarungen mit denen der Entwicklungsabteilung, mit der Produktion oder der Dienstleistungserbringung? Häufig wird gesagt: Ihr müsst so viele Aufträge wie möglich hereinholen. Dann sagen die Mitarbeitenden aus der Entwicklung: So viel schaffen wir gar nicht. Und die aus der Fertigung sagen: Das können wir gar nicht erfüllen. Das Beispiel zeigt, wie ein breitflächig eingesetztes, grundsätzlich wirksames Tool – die Zielvereinbarung – unter Umständen absolutes Silodenken erzeugt.
Herdmann:
In den Normenausschüssen des DIN stellen wir uns immer die Aufgabe, das zu vermeiden, was wir „proliferation of standards“ nennen: Die Zahl der Managementsystemnormen darf nicht unkontrolliert anwachsen – deshalb ist es auch weiterhin nötig, diese Normen noch besser zu strukturieren und zu konsolidieren.
Wernicke:
Weitere Anforderungen werden folgen, und sie haben immer Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeiten der Unternehmen. Ich schlage vor, dass die Unternehmen eine Methode der schnellen Überprüfung solcher neuen Anforderungen entwickeln, zum Beispiel mit Datenbanken, in denen sie diese Anforderungen erfassen und die dazugehörige Erfüllung darstellen. Ein Team, das immer wieder zusammenkommt, kann solche Überprüfungen vornehmen – immer dann, wenn neue Anforderungen kommen, die im Wettbewerb plötzlich wichtig werden. Das Ziel dabei ist, den Aufwand für zusätzliche Aspekte im Managementsystem so klein wie möglich zu halten. Denn nur dann können wir vermeiden, dass es zu einer zu starken Formalisierung (und damit zu Widerständen aus der Belegschaft) kommt.
Dr. Frank Herdmann ist im Change Management, Interim Management sowie in der Unterstützung und Beratung von Unternehmen der Privatwirtschaft und Tochterunternehmen der öffentlichen Hand tätig. Er war viele Jahre Geschäftsführer von Konzernunternehmen einer Bank und später einer Immobiliengruppe. Herdmann ist promovierter Rechtshistoriker, Rechtsanwalt sowie Autor mehrerer Publikationen zum Compliance- und Risikomanagement sowie zum BCM. |
Dipl.-Ing. Mathias Wernicke hat 35 Jahre Erfahrung in der Anwendung, Gestaltung und Zertifizierung von Managementsystemen. Er war viele Jahre Leiter BMS und Zertifizierung bei EADS und Airbus Defence and Space. Er ist Trainer und Prüfer der DGQ, engagiert sich im Leitungskreis des DGQ Fachkreises Audit und Assessment und hatte bis Ende 2019 den Vorsitz im DIN-Normenausschuss Organisationsprozesse. Wernicke hält Vorlesungen zum Thema Integration von Managementsystemanforderungen sowie Auditmanagement. |
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Managementsysteme bündeln Ressourcen und machen Abläufe effizienter. Folgt eine Organisation mehreren Systemstandards, kann es unübersichtlich werden und zu Überschneidungen kommen. Abhilfe schafft in diesen Fällen ein Integriertes Managementsystem (IMS). Wir geben eine Übersicht, wie Sie dabei am besten vorgehen.
Eine Vorbemerkung: Wir nehmen an, dass im existierenden Managementsystem der Organisation bereits Anforderungen aus Normen, Gesetzen und Kundenwünschen realisiert sind, auch wenn sie dort nicht systematisch eingearbeitet wurden. Dennoch ist es in der Regel sinnvoll, ein vorhandenes Managementsystem als „Master“ für alle folgenden Überlegungen zu verwenden.
Beginnen Sie daher mit einer Analyse der Anforderungen, die aus der jeweiligen Norm hervorgehen. Anschließend ermitteln Sie, ob diese im Managementsystem der Organisation identifiziert werden können. Kommentare und Erläuterungen helfen dabei, die Normen oder Anforderungen zu interpretieren und ihren Stellenwert richtig einzuschätzen.
Ein bewährtes Hilfsmittel für die Analyse sind sogenannte Konformitätslisten, bei denen die einzelnen Anforderungen des betreffenden Managementsystems in Einzelspalten aufgegliedert werden. Das folgende Beispiel zeigt, wie Anforderungen der ISO 9001 auf diese Weise in ein Checklistenformat überführt werden, das die Umsetzung erheblich erleichtert. Die Darstellung macht auf einen Blick sichtbar, welche Dokumente und Verfahren eingesetzt werden und wie weit die Anforderung umgesetzt ist („Status“).
Blau hervorgehoben ist die sogenannte Harmonized Structure (HS) der ISO-Normen, die immer dann zur Anwendung kommen sollte, wenn mehr als eine Norm integriert werden muss. Dabei handelt es sich – etwas verkürzt – um die Kombination aus einer gleichbleibenden Grundstruktur, einheitlichen Basistexten und gemeinsamen Definitionen. Die HS macht es einfacher, identische oder ähnliche Anforderungen unterschiedlicher ISO-Managementsystemnormen zu analysieren.
Mit Konformitätslisten lässt sich nachweisen, dass eine Anforderung tatsächlich im Managementsystem realisiert wurde. Ein angenehmer Nebeneffekt ist, dass mit diesen Listen die Anwender (auch ohne Normenkenntnis) gegenüber Kunden, Behörden und Zertifizierern auf Nachfrage Rechenschaft ablegen können, ohne dass sie dazu erst Spezialisten zu Rate ziehen müssen. Für jede zu integrierende Norm sollte eine solche Liste erstellt und gepflegt werden.
Wie ein Vergleich von vier populären ISO-Normen zu den Themen Qualität, Umwelt, Informationssicherheit sowie Sicherheit und Gesundheit zeigt, sind viele Anforderungen (hier unterstrichen) strukturell identisch.
Um den organisatorischen Rahmen für die Integration mehrerer Managementsystemnormen zu schaffen, kann diese als Projekt (oder als Reihe von Projekten) aufgefasst werden. Dabei bietet es sich an, schrittweise vorzugehen:
Das Ergebnis ist ein Managementsystem, in dessen Prozessen und Regelungen nachweislich alle Anforderungen der enthaltenen Normen widerspruchsfrei und ohne Redundanzen integriert sind – ein Integriertes Managementsystem (IMS). Ein sorgfältig konzipiertes und konsequent umgesetztes IMS sorgt für Effizienz und Transparenz. Die Anwender nehmen die ursprünglichen Managementsystemanforderungen gar nicht mehr als solche wahr und können sich voll auf die Ausführung und Optimierung ihrer Prozesse konzentrieren.
Autor:
Dipl.-Ing. (Univ.) Mathias Wernicke
Ehrenvorsitzender des DIN-Normenausschusses Organisationsprozesse (NAOrg) und Normungsexperte bei der DGQ e. V.
Die beiden unteren Grafiken stammen aus dem Handbuch „Die integrierte Anwendung von Managementsystemnormen“.
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