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Klimaschutz im Betonbau: Belastbare Daten für die praktische Tragwerksplanung

Mit der neuen Richtlinie „Treibhausgasreduzierte Tragwerke aus Beton, Stahlbeton oder Spannbeton“ legt der Deutsche Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb) erstmals fest, wann ein Bauwerk als klimaverträglich einzustufen ist. Tragwerksplaner von Schüßler-Plan haben das Regelwerk einem Praxischeck unterzogen.


„Der Klimawandel stellt das Bauwesen vor gewaltige Aufgaben. Mit der neuen Richtlinie gibt es jetzt ein Instrument, das aufzeigt, wie viel CO₂-Emissionen in der Tragwerksplanung eingespart werden müssen“, sagt Lukas Felber. Er und Marc Kaczorowski sind Ingenieure und Tragwerksplaner bei Schüßler-Plan, einem Ingenieurunternehmen mit Gründungssitz in Düsseldorf, über 65-jähriger Geschichte und gut 1.200 Mitarbeitenden an 21 Standorten in ganz Deutschland und einem in Warschau. Neben dem operativen Geschäft beschäftigen sich die beiden Ingenieure noch mit ihren Dissertationen an der TH Köln und der TU Dortmund. Obwohl sie sich inhaltlich ganz unterschiedlichen Schwerpunkten widmen, verbindet sie ein gemeinsames Anliegen: das nachhaltige Tragwerk. „Im Sommer letzten Jahres wurden wir über den Arbeitskreis des Deutschen Beton- und Bautechnik-Vereins darauf aufmerksam, dass der Gelbdruck der neuen Richtlinie erschienen war“, erzählt Felber. Daraufhin haben er und Kaczorowski die Richtlinie kurzerhand auf eigene Projekte angewandt: „Es ging auch darum, ein Gespür dafür zu bekommen, ob die Grenzwerte richtig angesetzt waren und ob die Richtlinie einfach anzuwenden ist“, ergänzt Kaczorowski. Besonders wichtig war ihnen aber, zu prüfen, wie bereits realisierte Bauprojekte von Schüßler-Plan, als noch keine Richtlinie für die emissionsarme Tragwerksplanung existierte, nach den neuen Regeln abschneiden würden. Ihre Ergebnisse haben die Tragwerksplaner in einer Studie zusammengefasst und anschließend dem DAfStb präsentiert. „Die Mitglieder des Gremiums waren ganz begeistert von diesem Praxischeck“, sagt Felber.
 

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Benchmark für mehr Klimaschutz

Für ihre Studie haben Felber und Kaczorowski zunächst ganz unabhängig von der neuen Richtlinie Gebäude hinsichtlich ihres Ausstoßes von Treibhausgasen analysiert. „Mit der Veröffentlichung des Gelbdrucks stand plötzlich ein Referenzwert zur Verfügung, auf den wir uns beziehen konnten“, führt Kaczorowski aus. Im nächsten Schritt haben sie sich den Reduzierungspfad angesehen, der die grauen Emissionen aus dem Tragwerksbau bis zum Jahr 2045 auf null senken soll. „Mithilfe des neuen Benchmarks, lassen sich Ergebnisse künftig einfach, präzise und zuverlässig bewerten, wobei die Größenordnung der Referenzwerte durchaus noch Anpassungspotential bietet. Es ist sinnvoll, solche Grenzwerte in der Tragwerksplanung zu definieren und letztlich auch einhalten zu müssen“, sagt Marc Kaczorowski.

Die Resultate aus dem eigenen, abgeschlossenen Baugeschehen jedenfalls konnten sich sehen lassen: „Wir lagen bei allen Gebäuden unterhalb des Referenzwerts“, fasst Kaczorowski zusammen. „Im Großen und Ganzen sind wir dem Reduktionspfad fünf bis sieben Jahre voraus. Für uns persönlich war das ungeheuer motivierend.“ Dennoch, so ergänzt sein Kollege Felber, sei es jetzt bereits wichtig, den Rohbau und seine Planung hinsichtlich der Klimaverträglichkeit anzupassen und weiterzudenken: „Wir stehen noch ganz am Anfang und im Moment sind die Werte noch vergleichsweise hoch, in den kommenden Jahren wird die Kurve drastisch sinken.“ Den Verlauf des Absenkungspfades in der Planung zu berücksichtigen, sei umso entscheidender, da die Tragwerksplanung für gewöhnlich mehrere Jahre in Anspruch nehme. „Je nach Größe und Art eines Gebäudes vergehen zwischen dem Start der Planung und Projektabschluss mehrere Jahre – insbesondere Infrastrukturprojekte haben sehr lange Laufzeiten.“


Renaissance klassischer Ingenieurs-Tugenden

In der Konsequenz sind Ingenieur*innen und Tragwerksplaner*innen aufgerufen, jetzt schon darüber nachzudenken, wie sich Tragwerksstrukturen hinsichtlich ihrer CO₂-Bilanz künftig optimieren lassen. Dabei helfen könne eine Rückbesinnung auf typische Ingenieurs-Tugenden: Clevere Lösungen für neue Aufgaben finden und sich dabei von Patentrezepten der Vergangenheit lösen. „In der Tragwerksplanung hat man das zum Teil etwas verlernt. Es gab schließlich den Beton.  Dabei sind wir als Ingenieur*innen eigentlich Erfinder*innen, die neue Wege gehen und nicht das Etablierte reproduzieren, ohne es zu hinterfragen“, sagt Felber. In der Planung werde die neue Vorgehensweise einiges verschieben, ganzheitliche Gedanken seien bereits in einer frühen HOAI-Planungsphase notwendig. „Zu Beginn haben wir die Flexibilität zur Gestaltung eines Tragwerks mit funktionalem, technischem und nachhaltigem Anspruch.“ Die neue Richtlinie wird Ingenieur*innen dabei unterstützen: Einheitliche Kennzahlen wie etwa Umweltproduktdeklarationen (EPD) erlauben den Vergleich von Baustoffen und Modulen über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg.


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Heute schon für morgen planen

Die beiden Ingenieure jedenfalls sind von der Sinnhaftigkeit der Richtlinie, die ab sofort als Weißdruck erhältlich ist, überzeugt. „In der Branche existiert grundsätzlich ein großer Wille, Tragwerke hinsichtlich ihrer Klimabilanz zu verbessern“, beobachtet Marc Kaczorowski. Schüßler-Plan ist da keine Ausnahme, geht aber voran: Das Unternehmen beschäftigt sich schon länger damit, wie sich Prozesse nachhaltiger gestalten lassen, ist sich seiner Verantwortung für den Klima- und Ressourcenschutz bewusst und hat sich den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen verpflichtet. Zudem beteiligt sich der Ingenieursdienstleister an zahlreichen Forschungsprojekten, welche die Zukunft und Weiterentwicklung der Branche mitgestalten.

Auf der Nachfrageseite indes beobachten Lukas Felber und Marc Kaczorowski, dass die Nachhaltigkeit langsam, aber sicher eine größer werdende Rolle spielt: „Oftmals muss der Klimaschutz zwar derzeit noch zugunsten der Kostenoptimierung zurückstecken. Dennoch sind wir immer häufiger aufgefordert, ergebnisoffen in alle Richtungen zu denken und ausdrücklich auch den Klimaschutz zu berücksichtigen“, sagt Kaczorowski. Oft würden erst verschiedene Ausführungsvarianten das Zusammenspiel von Kosten und klimagerechterem Bauen verdeutlichen. Über kurz oder lang werde sich der Wind aber ohnehin drehen: „Wer sich nicht damit beschäftigt, seinen CO₂-Fußabdruck zu verkleinern, wird abgehängt werden“, sagt Lukas Felber.
 

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CO₂-Bilanz ziehen mit sauberem Gewissen

Dass die neue DAfStb-Richtlinie „Treibhausgasreduzierte Tragwerke aus Beton, Stahlbeton oder Spannbeton“ der Branche ab sofort dabei hilft, ihre CO₂-Bilanz zu verbessern, sehen Lukas Felber und Marc Kaczorowski indes als Startschuss einer Entwicklung, die noch lange nicht abgeschlossen ist. „Die Arbeit am Thema Klimaschutz darf jetzt nicht ruhen. Stattdessen muss sich das Wissen über emissionsarmes Bauen sukzessive weiterentwickeln“, findet Lukas Felber. Dazu gehöre auch ein die Praxis flankierendes Regelwerk. Denkbar sei zudem, nachhaltiges Handeln mit finanziellen Anreizen zu verknüpfen oder Normen mit bindendem Charakter zu etablieren. Unter diesen Voraussetzungen ließen sich die gesetzlich vorgegebenen Klimaschutzziele besser erreichen, so ihre Überzeugung. In der Zwischenzeit kann dank der neuen Richtlinie die Tragwerksplanung einen messbaren Beitrag leisten.


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Lukas Felber, M.Sc.
Absolvierte sein Studium des Bauingenieurwesens mit Schwerpunkt konstruktiver Ingenieurbau 2015 am Institut für Massivbau der RWTH Aachen.

Seitdem ist er Teil der Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft und arbeitet dort in der Abteilung Hochbau mit Fokus auf der Tragwerksplanung.

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Marc Kaczorowski, M.Sc.
Absolvierte sein Studium des Bauingenieurwesens 2017 an der TU Dortmund – Schwerpunkt: Konstruktiver Ingenieurbau. Seit 2018 ist er Teil der Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft und arbeitet dort als Projektleiter in der Abteilung Hochbau mit Fokus auf der Tragwerksplanung. Zudem arbeitet er seit 2020 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Tragkonstruktionen der TU Dortmund.

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DAfStb-Richtlinie: Treibhausgasreduzierte Tragwerke aus Beton, Stahlbeton oder Spannbeton

Die DAfStb-Richtlinie enthält Informationen zur Erfüllung der Reduktionsziele von Treibhausgasen in der Herstellung und Entsorgung von Beton-, Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken – inkl. grundlegenden Anforderungen, Maßnahmenbeschreibungen sowie nützlichen Arbeitshilfen.