Kurzreferat
Wenn bestehende Tragwerke nicht mehr auf der Grundlage historischer Regelwerke nachgewiesen werden dürfen oder können, müssen auch diese auf der Grundlage moderner Nachweisverfahren mit dem bauaufsichtlich eingeführten semiprobabilistischen Sicherheitskonzept beurteilt werden. Hierfür sind angepasste charakteristische Materialkennwerte der historischen Baustoffe und zweckmäßige Teilsicherheitsbeiwerte erforderlich. Im Unterschied zu geplanten, in der Zukunft entstehenden Neubauten, haben sich bei bestehenden Tragwerken mögliche Fehler in der Planung und Abweichungen in der Bauausführung schon weitgehend materialisiert. Diese lassen sich somit detektieren oder messen. Mit Hilfe dieser festgestellten zusätzlichen Informationen zur Schadensfreiheit sowie zu den tatsächlich am Bauteil erreichten Baustoffeigenschaften und Abmessungen können Anpassungen des Zuverlässigkeitsindexes und der Teilsicherheitsbeiwerte für Bestandstragwerke gegenüber den Werten für neue Tragwerke gerechtfertigt werden. Das DBV-Merkblatt "Modifizierte Teilsicherheitsbeiwerte für Stahlbetonbauteile" enthält pragmatische Werte in praxisnaher und komprimierter Form, die eine wirtschaftliche und nachhaltige Nachrechnung solcher Bestandsbauteile erlauben. Um die Hintergründe unter Würdigung nationaler und internationaler Ideen und Literaturen hierzu ausführlicher aufzubereiten, wurde ein DBV-Forschungsvorhaben initiiert, dessen Ergebnisse mit diesem Heft vorgelegt werden. Dabei werden die allgemeinen Grundlagen für mögliche Anpassungen des Sicherheitskonzeptes im Bestand und die relativ konservativen Annahmen für die im Merkblatt modifizierten Werte erläutert. Weiterführende Modifikationsansätze zeigen Wege auf, im Einzelfall noch differenziertere Anpassungen im Sicherheitskonzept vornehmen zu können.