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Historie
Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts traten vermehrt Schäden an Hauptgetrieben in Windenergieanlagen (WEA) auf. Bei diesen Schäden handelte es sich hauptsächlich um Verzahnungs- und Wälzlagerschäden. Die Entwicklung und Auslegung dieser Getriebe erfolgte anhand der zum damaligen Zeitpunkt existierenden Normen zur Tragfähigkeitsberechnung von Verzahnungen und zur Lebensdauerberechnung von Lagern, die sich in anderen Bereichen, wie zum Beispiel bei Industriebetrieben vergleichbarer Leistung, hervorragend bewährt hatten. Die Schäden deuteten somit darauf hin, dass es maßgebliche Unterschiede zwischen Getrieben in WEA und zum Beispiel Industriegetrieben geben muss, die von den einschlägigen Normen nicht berücksichtigt werden. Deshalb wurde es als notwendig erachtet, eine Anwendungsnorm speziell für Getriebe in WEA zu erstellen. Da zum damaligen Zeitpunkt schon bekannt war, dass in den USA an der Entwicklung einer derartigen nationalen Norm unter Federführung der American Gear Manufacturers Association (AGMA) gearbeitet wurde, wurde auf den nationalen Ebenen in Europa beschlossen, die AGMA-Norm mitzuentwickeln, statt die Entwicklung einer Europäischen Anwendungsnorm voranzutreiben, weil zu dem Zeitpunkt schon klar war, dass die AGMA-Norm die Basis für eine zukünftige ISO- oder IEC-Norm sein würde. Die so unter maßgeblicher europäischer Beteiligung entwickelte Norm wurde schließlich als ANSI/ANSI/AGMA/AWEA 6006-A03 im Jahr 2003 veröffentlicht und danach ohne Änderungen als Internationale Norm ISO 81400-4 im Jahr 2005 publiziert. Schon 2003 war klar, dass die AGMA-Norm und somit auch die ISO-Norm aufgrund zum Beispiel der Beschränkung auf max. 2 MW Leistung nur eine Interimslösung darstellen konnten. Da auch die IEC eine Getriebenorm für WEA im Rahmen der Normenreihe IEC 61400 über "Windenergieanlagen" forderte, wurde eine Joint Working Group unter Federführung des IEC/TC 88 "Windenergieanlagen" in Kooperation mit dem ISO/TC 60 "Verzahnungen" mit der Zielsetzung gegründet, auf Basis der AGMA-Norm eine international anerkannte Norm ohne die vorgenannte Beschränkung zu erstellen. Das Ergebnis der Joint Working Group ist die Norm IEC 61400-4, die am 4. Dezember 2012 erschienen ist und die Norm ISO 81400-4 ersetzt.
Inhalt
Bei IEC 61400-4 handelt es sich um eine Anwendungsnorm, in der die Anforderungen an die Konstruktion von Hauptgetrieben in Windenergieanlagen festgelegt sind. Anwendungsnorm bedeutet, dass zum Beispiel für die Berechnung der einzelnen Bauteile eines Getriebes keine neuen Berechnungsverfahren angeführt, sondern für bewährte Berechnungsverfahren die Randbedingungen für Getriebe in WEA zur Anwendung Rechenverfahren festgelegt werden.
In IEC 61400-4 sind zu Beginn Hinweise zur Zuverlässigkeit von Verzahnungen und Lagern, zum Design-Prozess sowie zu den auftretenden Lasten und Betriebsbedingungen angeführt. Bei den Lasten sind neben den in IEC 61400-1 beziehungsweise IEC 61400-3 angegebenen Lastfällen weitere Lastfälle angegeben, die für die Auslegung eines Getriebes interessant sein können. Danach sind die Anforderungen und Randbedingungen an Konstruktion, Berechnung und Herstellung der einzelnen Getriebekomponenten (unter anderem Zahnräder, Lager, Wellen) angeführt. Die Auslegung der Verzahnungen erfolgt dabei nach ISO 6336, der Lager nach ISO 76, ISO 281 und ISO/TS 16281, der Wellen nach DIN 743, der Presssitze nach DIN 7190 und der Passfederverbindungen nach DIN 6892. Die Auslegung der Strukturbauteile (Planetenträger, Drehmomentstütze) erfolgt mittels FE (Verformungsanalyse, statische Festigkeit, dynamische Festigkeit) nach dem örtlichen Spannungskonzept. Im nachfolgenden Kapitel wird auf die unterschiedlichen Schmierungsarten sowie deren Randbedingungen (Öl- und Lagertemperaturen, Ölzustand) eingegangen.
Hierauf folgt die Validierung von neuen Getriebekonstruktionen. Die hierzu notwendigen Tests (Prüfstandstest, Feldtest, Serientest) sind in der Norm beschrieben. Abschließend sind in der Norm die Anforderungen an Betrieb und Wartung angeführt. In den Anhängen wird unter anderem auf die Kräfte und Momente bei unterschiedlichen Antriebsstrangdesigns eingegangen sowie Empfehlungen zur Konstruktion von Getrieben, zur Auswahl von Lagern sowie zur Auswahl von Schmierstoffen gegeben.
Die Norm ist anwendbar auf Hauptgetriebe in On- und Offshore-Windenergieanlagen mit Leistungen > 500 kW.