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Im Dezember 2006 wurde die Internationale Norm IEC 60027-6 herausgegeben. In der Schlussabstimmung hatte von 19 an der Erstellung der Norm beteiligten Nationen nur ein Land gegen die Verabschiedung dieser Norm votiert.
Die Vorgeschichte hierzu begann im Jahr 1975. Damals wurde die Zuordnung von Formelzeichen und Einheiten zu Größen international nur in den einzelnen Teilen der Normenreihen ISO 31 und IEC 27 festgelegt. Später wurde die Reihe IEC 27 in IEC 60027 umbenannt. Seit dem Jahr 1996 werden die miteinander verwandten Teile von ISO 31 und IEC 60027 nach und nach in der neuen Reihe ISO/IEC 80000 zusammengeführt.
Die internationale Normung von Formelzeichen für die Regelungs- und Steuerungstechnik begann mit der Veröffentlichung der ersten Ergänzung IEC 27-2A:1975 zur Norm IEC 27-2:1972. Diese Ergänzung fügte vier neue Abschnitte in die Norm ein, darunter den Abschnitt 11, der erstmals Formelzeichen hierfür festlegte und über den im Folgenden noch berichtet wird.
Zum Abschnitt 11 von IEC 27-2A:1975 wurden zwei Deutsche Normen veröffentlicht, und zwar DIN 19221:1981-02 und DIN 19221:1993-05. Die zweite Ergänzung IEC 60027-2B:1980 der Internationalen Norm veränderte den Abschnitt 11 nicht. In der zweiten Ausgabe IEC 60027-2:2000-11 wurden lediglich die Verweise von IEV 351 Ed. 1.0 auf IEV 351 Ed. 2.0 umgestellt. Die Formelzeichen blieben unverändert. Deshalb blieb auch DIN 19221:1993-05 weiterhin gültig.
Im September 2004 erschien eine von Deutschland vorgeschlagene Internationale Vornorm, die öffentlich verfügbare Spezifikation IEC/PAS 60027-6:2004-09 (siehe auch DIN-Mitteilungen 1 - 2005, S. 65). Daraufhin wurde DIN 19221:1993-05 zurückgezogen. Bis zur Veröffentlichung der Deutschen Ausgabe von IEC 60027-6:2006-12 ist die öffentlich verfügbare Spezifikation anzuwenden. Diese Deutsche Ausgabe wird voraussichtlich Ende 2007/Anfang 2008 als DIN EN 60027-6 mit VDE-Klassifikation erscheinen.
Die dritte Ausgabe IEC 60027-2:2005-08 enthält den bisherigen Abschnitt 11 nicht mehr. An seine Stelle trat 16 Monate später die eingangs genannte Norm IEC 60027-6:2006-12.
So viel sei zum normungstechnischen Rahmen dieses Berichtsgegenstandes mitgeteilt. Viel interessanter ist das Inhaltliche.
Vergleicht man die seit dem Jahr 1950 erschienenen meistverbreiteten deutschsprachigen Lehrbücher der Regelungs- und Steuerungstechnik miteinander, kann man bei einigen von ihnen anhand der verwendeten Formelzeichen (soweit der Verlag nicht auf Normentreue gedrungen hatte), der bevorzugten Methoden und der Didaktik leicht den wissenschaftlichen Stammbaum des Autors aufstellen. Wer bei wem promoviert wurde oder, wer wessen Nachfolger auf welchem Lehrstuhl war, lässt sich in diesen Fällen leicht erkennen. Woran liegt das? Mitunter an der Gleichgültigkeit eines wissenschaftlichen Vorfahren gegenüber der für die Grundlagen geltenden Deutschen Formelzeichennorm DIN 1304 bzw. ihrer internationalen Entsprechung, der Reihe ISO 31, an einer abenteuerlichen Verdrehung der Festlegungen in diesen Normen oder auch an einer allgemeinen diesbezüglichen Reformresistenz.
Nachdem in einem Hochschulinstitut einmal die Zuordnung der Formelzeichen zu den Größen und Benennungen festgelegt worden war, wäre es mit sehr viel Arbeit und Übergangsproblemen verbunden gewesen, das eingeführte Lehrbuch, die Skripten und alle Praktikumsunterlagen des Instituts gleichzeitig der Norm anzupassen. Somit blieb alles beim Alten. Dazu kam zunächst die Unverbindlichkeit der in den Deutschen Normen für die Begriffe der Leittechnik, DIN 19226:1954-01, DIN 19226:1968-05 und DIN 19229:1975-10, verwendeten Formelzeichen. Diese wurden hier nur verwendet, nicht genormt. Eine Norm für die Formelzeichen der Regelungs- und Steuerungstechnik gab es zunächst weltweit nicht.
Später machte die Unzulänglichkeit des zuvor bereits erwähnten hierfür geschaffenen Abschnitts 11 in der Internationalen Änderung IEC 27-2A:1975 die diesbezügliche wünschenswerte Einheitlichkeit der Lehrbücher unmöglich. Dieser Abschnitt legte eine Hauptreihe und eine Ausweichreihe mit jeweils zwölf Formelzeichen für die Größen und Funktionen der Regelungs- und Steuerungstechnik fest. Die Hauptreihe enthielt die in englischsprachigen Lehrbüchern und die Ausweichreihe die in deutschsprachigen Lehrbüchern vorwiegend verwendeten Formelzeichen. Die Aufnahme der Ausweichreihe hatte der deutsche Vertreter in dem IEC-Gremium damals gerade noch erreichen können.
Neun dieser Zeichen betrafen den Kernbereich des Gebiets, also hauptsächlich die zeitlich veränderlichen Größen des Regelkreises und der Steuerkette.
Die Zeichen der beiden Reihen waren nicht widerspruchsfrei. Drei Zeichen bildeten in den beiden Reihen jeweils unterschiedliche Größen ab. Der Benutzer musste sich deshalb für eine der beiden Reihen entscheiden. Das Dilemma, das diese Norm brachte, ist in den Erläuterungen in beiden Deutschen Ausgaben ausführlich beschrieben.
Die Studenten benutzten meistens deutsch- und englischsprachige Lehrbücher nebeneinander. Gerade für Lernende ist solcher ständige Zwang zur Umstellung besonders irritierend. Lernenergie geht in innerer Reibung verloren. Mit der Internationalen Norm IEC 60027-6 wurde jetzt ein einziges international verbindliches System von Formelzeichen für die Regelungs- und Steuerungstechnik geschaffen.
Wie zuvor bereits erwähnt, hatte die bisher hierfür gültige Internationale Norm (Abschnitt 11 von IEC 27-2A:1975) Formelzeichen für zwölf Größen und Funktionen festgelegt. Die von Deutschland vorgeschlagene öffentlich verfügbare Spezifikation von 2004 empfahl Formelzeichen für 57 Größen und Funktionen und berücksichtigte damit den gesamten Bereich, den Lehre und Praxis dieses Fachgebiets benötigen. Sie sah für den jetzt zwölf Größen umfassenden Kernbereich nur eine Zeichenreihe vor. Diese enthielt vier Formelzeichen, die zuvor übereingestimmt hatten. Von den zuvor unterschiedlichen Formelzeichen enthielt sie eines aus der Vorzugs- und vier aus der Ausweichreihe sowie drei neue Zeichen für bisher nicht berücksichtigte Größen.
Die jetzt veröffentlichte Norm stimmt hinsichtlich der Zeichen fast ganz mit der öffentlich verfügbaren Spezifikation überein. Nur für eine Grundlagengröße (den Dämpfungsgrad) musste ein im Angelsächsischen gebräuchliches, aber eigentlich unbrauchbares Alternativzeichen eingefügt werden. Der deutsche Vorschlag ist somit hinsichtlich der Formelzeichen unverändert in die Internationale Norm übernommen worden.
Leser mögen fragen: Wie konnte dieses Mal erreicht werden, was im Jahr 1975 nicht erreichbar war? Die Formelzeichen, um die bei den jetzigen Beratungen hauptsächlich gerungen wurde, waren diejenigen für ein Größenpaar (Ein- und Ausgangsgröße) und zwei Funktionenpaare im Grundlagenbereich, deren Bestandteile jeweils inhaltlich eng miteinander verwandt sind und die in einer Ursache-Wirkung-Beziehung zueinander stehen.
Für diese Größen- bzw. Funktionenpaare hatte das für die Begriffe der Leittechnik zuständige deutsche Normungsgremium schon vor Jahrzehnten Zeichen festgelegt, die auch im Alphabet aufeinander folgen. So können Studenten oder Ingenieure sich diese besser einprägen. Diesem Argument folgte das aus Experten der meisten naturwissenschaftlichen Disziplinen bestehende IEC-Gremium. Hinzu kam, dass die damaligen Verfechter der angelsächsischen Zeichenreihe kaum mehr in der Normung aktiv waren. Eine Rolle spielte auch, dass die umfangreichen Einsprüche - die lediglich aus einem Land kamen - in sich widersprüchlich waren und dass das auch dieses Mal an der Entwicklung der Norm beteiligte International Federation of Automatic Control (IFAC) - der internationale Dachverband, zu dem auch die deutsche GMA gehört - einen Vertreter entsandt hatte, der auch von den Vorteilen des deutschen Vorschlags überzeugt war. Schließlich lagen auch die Projektführerschaft und die umfangreiche internationale Vorabstimmung aller Sitzungsvorlagen dieses Mal in deutschen Händen.
Die neue Norm legt in sechs Tabellen 59 Formelzeichen für Grundgrößen, Grundfunktionen, Kenngrößen der Sprungantwort, Abbildungsfunktionen und deren variable Größen, Kenngrößen von Übertragungsgliedern und Regelkreisen und Größen im Regelkreis und in der Steuerkette fest. Sie nennt zusätzlich die Fundstellen im Internationalen Elektrotechnischen Wörterbuch (International Electrotechnical Vocabulary (IEV) - IEC 60050-351 und andere Kapitel) für die Begriffsbestimmungen aller behandelten Größen und Funktionen und erläutert die Größen sowie die Zusammenhänge zwischen ihnen. Diese Teile der Norm wurden im Laufe der internationalen Beratungen erheblich erweitert und präzisiert.
Jetzt kommt es darauf an, dass weltweit alle Lehrbuchautoren und Hersteller das objektiv bessere neue Formelzeichensystem und die jetzt möglich gewordenen Synergieeffekte auch nutzen. Diesem Ziel kommt entgegen, dass es weltweit auch keine andere regionale Norm für dieses Gebiet gibt. Die Autoren deutschsprachiger Lehrbücher müssen im Kernbereich je nach ihrem bisherigen Gebrauch nur ein bis vier Formelzeichen ändern.